11 Nov Vertikale Integration
Auf jeder Stufe dieser Kette kann eine Wertschöpfung erfolgen. Ziel der Integration weiterer Wertschöpfungsstufen ist deshalb oft, die eigene Wertschöpfung zu vergrößern bzw. zu optimieren.
Beispiel:
Ein Großhändler im Bereich Elektrowaren hat bisher alle Waren bei mehreren Herstellern eingekauft und an Einzelhändler verkauft. Nun eröffnet dieses Unternehmen eigene Filialen, die direkt an den Kunden verkaufen. Dadurch tritt es selbst auch als Einzelhändler auf dem Markt auf und integriert diese Wertschöpfungsstufe in das Unternehmen.
Die Unabhängigkeit von Zulieferern oder Abnehmern ist oft ein weiterer Grund für eine Unternehmenskonzentration. Es erhält dadurch eine größere Kontrolle über die für die Herstellung und den Vertrieb eines Produktes wichtigen Stufen.
Der Begriff vertikale Integration kann neben dem Prozess der Eingliederung auch einen Zustand beschreiben: Hat ein Unternehmen alle Wertschöpfungsstufen in der eigenen Hand? In welchem Maße ist das Unternehmen vertikal integriert, also wie hoch ist der Grad der vertikalen Integration?
Beispiel:
Ein Hersteller von Möbeln fertigt alle seine Waren in eigener Produktion an. Auch bezieht er alle Rohstoffe selber und verkauft die Produkte in eigenen Läden an den Kunden. Solch ein Unternehmen ist vertikal integriert bzw. es hat einen hohen Grad an vertikaler Integration.
Grad der vertikalen Integration
Der Grad der vertikalen Integration (VI) lässt sich aus den Finanzen des Unternehmens berechnen. Dafür benötigen wir die Werte Umsatz (U) und Wertschöpfung (W):
VI = W / U
Dabei ergibt sich die Wertschöpfung aus der Differenz von Umsatz und Einkauf: Wertschöpfung = Umsatz – Einkäufe, also
W = U – E
Betrachten wir die beiden Formeln genauer: In der ersten Gleichung steht die Wertschöpfung im Zähler und der Umsatz im Nenner. Der Grad der vertikalen Integration steigt also mit der Wertschöpfung. Für die Wertschöpfung W ergibt sich aus der zweiten Gleichung: Je weniger Einkäufe (von Rohstoffen und Zwischenprodukten), umso größer ist die Wertschöpfung.
Wenn gar keine Einkäufe stattfinden, ist die Wertschöpfung genauso groß wie der Umsatz. In dem Fall sind Zähler und Nenner in der ersten Formel gleich. Der maximale Wert für VI beträgt somit 1.
Die Wertschöpfungstiefe
Je mehr Einkäufe ein Unternehmen durchführt, umso mehr sinkt die Wertschöpfung (bei gleichem Umsatz). Der Wert der Einkäufe kann maximal so groß sein wie der Umsatz. Dann ist die Wertschöpfung und damit auch VI gleich null. In der Praxis liegen die Werte meist zwischen diesen beiden Extremen:
0 < VI < 1
Diese Berechnung ist stark vereinfacht und hat in der Praxis ihre Grenzen. Zum Beispiel kann ein Anstieg der Preise von zugekauften Rohstoffen zu einer geringeren Wertschöpfung führen. Damit steigt der Grad der vertikalen Integration auch dann, wenn die Unternehmensstruktur sich nicht verändert.
Gleichbedeutend mit dem Grad der vertikalen Integration verwendet man auch oft den Begriff der Wertschöpfungstiefe. Die Fertigungstiefe hängt zwar zusammen mit der Wertschöpfungstiefe, bedeutet aber etwas Verschiedenes.
Die Fertigungstiefe berechnet sich aus den Anteilen von Eigenfertigung und Fremdfertigung und betrachtet dafür ausschließlich die Produktionsstufen. Für die Wertschöpfungstiefe betrachtet man alle Stufen der Wertschöpfung, also auch Handelsstufen, Dienstleistungen usw.
Vorteile und Nachteile der vertikalen Integration
Generell kann man diese Vor- und Nachteile als typisch annehmen:
Vorteile:
- Kostenminimierung bzw. Kostenreduzierung
- keine (oder geringe) Abhängigkeit von Lieferanten
- Umsatzsteigerung
- Kontrolle über alle (viele) Wertschöpfungsstufen
- Optimierung der Produktions- und Lieferkette
- weitere Synergieeffekte
- geringere Kosten für Verwaltung, Personal und Management
Nachteile:
- Konkurrenzkampf auf vielen Stufen der Wertschöpfungskette
- weniger Spezialisierung auf eine Stufe (Kernkompetenz)
- höhere Lagerkosten
- höhere Kosten für Verwaltung, Personal und Management
- größerer Organisationsaufwand
- Verantwortung (Risiko) für jede Stufe der Produktionskette
- weniger Erfahrung und Kompetenz für integrierte Stufen
Vorwärtsintegration und Rückwärtsintegration
Beispiel:
Die Firma MT stellt Mobiltelefone her. Die Rohstoffe und Zwischenprodukte hatte sie bisher bei verschiedenen Zulieferern eingekauft. Durch Rückwärtsintegration übernimmt sie diese Zulieferfirmen und stellt die Zwischenprodukte selber her. In einem nächsten Schritt möchte die Firma durch Vorwärtsintegration die Mobiltelefone im Online-Versand selber vertreiben.
Wann ist vertikale Integration sinnvoll?
Eine Erweiterung der Wertschöpfungstiefe ist meistens mit finanziellen Investitionen verbunden (Immobilien, Maschinen, Personal). Rein wirtschaftlich betrachtet sollte ein Unternehmen vertikal integrieren, wenn dies mittel- und langfristig zu einer Kostenersparnis führt.
Welche Alternativen gibt es zur vertikalen Integration?
So kann ein Unternehmen durch horizontale Integration den Umfang seiner Aktivitäten auf den bereits existierenden Wertschöpfungsstufen erweitern. Das kann sowohl durch Eingliederung von Konkurrenzunternehmen als auch durch Eröffnung weiterer Betriebe oder Filialen erfolgen.
Oft ist es kostengünstiger und effizienter, auf die Leistungen externer Unternehmen (Zulieferer oder Dienstleister) zurückzugreifen. Mit diesem Outsourcing kann das Unternehmen Aufgaben auslagern, die es selber nur mit größerem finanziellen oder organisatorischen Aufwand erledigen könnte.
Die Make or Buy Entscheidung
Neben der Wirtschaftlichkeit spielen hierfür auch Kriterien wie zukünftige Entwicklungen, langfristige Ziele sowie die Positionierung gegenüber Konkurrenten eine große Rolle. Auch durch Supply Chain Optimierung kann ein Unternehmen eine Kostenersparnis in der Fertigungskette erreichen. Dabei kann es Zulieferer und Dienstleister durch Verträge an sich binden. Andere mögliche Organisationsformen zur Sicherstellung der eigenen Fertigung und Wertschöpfung sind z. B. Beteiligungen oder Franchising.
Mit diesen und anderen Formen der vertikalen Desintegration kann sich das Unternehmen entlasten und sich dadurch beispielsweise auf seine Kernkompetenzen beschränken. Ziel dieser Strategie ist, die optimale Wertschöpfungstiefe beizubehalten und so einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern zu erhalten.
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