Russland – seine Geschäftskultur und ihre Besonderheiten

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Russland – seine Geschäftskultur und ihre Besonderheiten

Während der Fußball-WM 2018 waren alle Augen auf Russland gerichtet. Und auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland erleben einen Aufschwung. Doch um als Deutscher Geschäftspartner bei den Russen zu punkten, gilt es ein paar Dinge zu beachten.

Persönliches Vertrauen

Um in der russischen Geschäftswelt voran zu kommen, sind gute Beziehungen sehr wichtig. Wenn Sie also jemand Neues kennen lernen, gilt es als erstes, dessen Vertrauen zu gewinnen. Der russische Geschäftsmann zeigt zu Beginn meist ein ernsthaftes und verschlossenes Gesicht. Dies ist in Russland ein Zeichen für Seriosität und bedeutet keinesfalls Ablehnung. Der Russe hebt sich sein Lächeln für Freunde, Familie und auch für bereits gute Geschäftspartner auf.

Um in den Kreis der guten Geschäftspartner aufgenommen zu werden, sollten Sie Ihrem möglichen Geschäftspartner mit Offenheit begegnen. Erzählen sie ruhig auch etwas von Ihrer Familie. Denn Kinder und Familie spielen in Russland eine wichtige Rolle. Auf diese Weise können Sie für zukünftige Geschäfte eine ordentliche Basis in Sachen Vertrauen schaffen.

Russisches Zeitmanagement

Kaum eine andere Kultur hat es so sehr mit der Pünktlichkeit, wie die deutsche – da ist auch Russland keine Ausnahme. Hier wird wenig voraus geplant und wenn es doch Pläne und Termine gibt, sind diese nicht ganz so verbindlich, wie es der Deutsche gewohnt ist. Der Russe arbeitet nach dem Motto: „Wir sehen dann, wie es sich entwickelt“. Hier ist eher Geduld als Pünktlichkeit gefragt.

Bringen Sie viel Zeit und Gelassenheit zu einem Treffen mit. Und auch wenn Ihre Geschäftspartner es eventuell nicht sind – seien Sie auf jeden Fall pünktlich. In Russland sind Verspätungen an der Tagesordnung. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass es in Großstädten häufig zu Staus kommt, die öffentlichen Verkehrsmittel meist überfüllt oder schlicht nicht vorhanden sind und auch, dass das Wetter oft nicht ganz optimal ist. Der durchschnittliche Russe ist daher meist in Eile und fast immer zu spät.

Wenn Sie einen Termin vereinbaren, sollte dieser nicht allzu weit in der Zukunft liegen. Ein bis maximal zwei Wochen im Voraus reichen völlig. Es ist außerdem ratsam, am Vortag noch einmal telefonisch nachzuhaken, ob der Termin wie geplant stattfindet.

Gut vernetzt ist halb gewonnen

Der russische Mitarbeiter hat meist einen starken persönlichen Bezug zu seinem Unternehmen und so arbeitet er auch. Seine Kontakte pflegt und knüpft er hauptsächlich informell, sie werden über Empfehlungen weitergegeben. Ist jemand auf der Suche nach neuem Personal oder einem neuen Lieferanten, liefert sein Netzwerk ihm meist die passende Lösung. Eine persönliche Empfehlung von einem russischen Kollegen kann daher Gold wert sein.

Denn der russische Geschäftsmann sucht sich nicht so sehr einen Experten aus dem Internet, sondern eher eine ihm empfohlene Person für eine Aufgabe aus. Sind Sie einem russischen Geschäftspartner etwas schuldig, kommt diese Schuld noch vor der vertraglichen Pflicht. Das Netzwerk ist hierbei sozusagen Bürge.

Informationen aus richtiger Quelle

Im Gegensatz zu den Deutschen, haben es die Russen nicht so sehr mit gut strukturierten und schriftlichen Dokumentationen. Verlassen Sie sich daher lieber auf die persönlichen Gespräche, die Sie während diverser Veranstaltungen und Events führen können.

Doch auch in Russland gibt es meist zu jedem Gespräch, bzw. zu jeder Verhandlung ein Protokoll. In diesem sind alle besprochenen Themen und alle getroffenen Entscheidungen und Vereinbarungen aufgelistet. Diese Auflistung ist jedoch nicht juristisch bindend.

Was am Ende zählt, ist das gesprochene Wort. Und auch Verträge sind wichtig, vorausgesetzt sie wurden zuvor von einem erfahrenen Juristen geprüft, gestempelt und mit einem Siegel versehen. Natürlich sind dennoch Änderungen während einer Kooperation möglich.

Den Kontext mit einbeziehen

Die russische Kommunikation ist stark kontextgebunden. Wenn eine Aussage gemacht wird, kommt es stark darauf an, wie dies vonstatten ging, welche Umstände dabei vorherrschten und welche Personen an- oder abwesend waren. Hier muss man zwischen den Zeilen lesen.

Durch die starke Einbeziehung der persönlichen Ebene, vermeiden die Russen die direkte Konfrontation. Eine direkte Kritik, die schlimmstenfalls auch noch vor einem Höhergestellten geäußert wird, ist äußerst unerwünscht. Auch sachliche Kritik nimmt der Russe persönlich und zieht sich dadurch schnell zurück.

Sollte dennoch einmal eine Kritik notwendig sein, dann verpacken Sie diese möglichst als freundliche persönliche Empfehlung. Es reicht dabei völlig aus, diese Empfehlung nur indirekt anzudeuten, da Ihr Gegenüber den Kontext kennt.

In Russland übertreibt man gern

Wo der Deutsche ruhig und sachlich bleibt, neigt der Russe gern zu Theatralik und Übertreibung. In eine Geschäftsverhandlung fließen immer wieder auch private Gesprächsthemen mit ein. Dies hat zur Folge, dass sie oft weitschweifender und wortreicher geführt werden, als bei uns üblich. Für einen deutschen Geschäftspartner ist eine Struktur und Faktenorientierung nur schwer auszumachen.

Meist dauert es etwas länger, bis man zu einem Ergebnis gelangt. Sie sollten darauf achten, mit simplen Vorschlägen zu beginnen und die komplexeren Zusammenhänge erst später zu entwickeln. Haben Sie kurzfristig eine Veränderung zu verkünden, so tun Sie dies bitte am Anfang einer Verhandlung. Ihr russischer Geschäftspartner ist kein Freund von Überraschungen.

In der russischen Geschäftskultur sind Kompromisse ein Zeichen von Schwäche. Sollte in einer Sache Uneinigkeit vorherrschen, so sitzt Ihr russischer Partner diese Situation gern aus und setzt auf Ihre mangelnde Geduld. Sie müssen in solchen Situationen sehr bestimmt vorgehen, um weiter zu kommen. Machen Sie Ihre Aussagen nur mit äußerster Sorgfalt. Macht Ihnen Ihr russischer Geschäftspartner ein Zugeständnis, erwartet er umgekehrt auch ein Entgegenkommen von Ihnen.

… das sind doch eher Richtlinien

RusslandIn Russland löst man Probleme mit Geduld, einer gewissen Risikofreudigkeit und handelt nach dem Prinzip „Das geht schon irgendwie“. Die Russen können wahre Improvisationstalente sein. So lösen sie Probleme oft in letzter Minute und nehmen dabei auch nicht ganz so perfekte Mittel in Kauf. Getreu dem Motto „…das sind doch eher Richtlinien“, biegt sich der Russe zur Problemlösung die Regeln oft zurecht.

Uns Deutschen kommt diese Vorgehensweise eher planlos und diffus vor. Der Russe hingegen, hält die deutsche Sorgfalt für zu langwierig. Halten Sie sich mit Ihren Tipps zur Problemlösung besser etwas zurück. Denn das „deutsche Oberlehrergehabe“ ist in Russland eher unbeliebt.

Der allwissende Chef

Russische Chefs müssen ihr Image als „Machtträger“ stets pflegen. Privilegien und Statussymbole werden daher offen zur Schau getragen. Der russische Vorgesetzte gibt keine Fehler zu, da er schließlich immer den Eindruck wahren muss, Herr der Lage zu sein. Seine Mitarbeiter erwarten von ihm dafür, dass er die an sie delegierten Aufgaben auch regelmäßig kontrolliert.

Ein Chef in Russland weiß über alles Bescheid und kann – theoretisch – auch alle Aufgaben selbst erledigen. Aber er würde niemals selbst seine Akten kopieren oder sich einen Kaffee holen. Das könnte den ihm entgegengebrachten Respekt durchaus schmälern.

Nationalstolz und Loyalität

Russen sind meist nicht in der Lage, flexible und spontane Entscheidungen zu treffen. Das liegt daran, dass sie häufig auch regionale Autoritäten vertreten und deren Erlaubnis benötigen. Oft verhandeln Sie mit einer Gruppe, deren Mitglieder sich sehr einig sind.

Sollten Sie nicht als einziger Vertreter Ihrer Fraktion nach Russland kommen, so achten Sie darauf, dass auch Ihre Partner einheitlich argumentieren. Ihre russischen Verhandlungspartner sollte die Verteilung der Autorität in Ihrer Gruppe klar werden können.

Die Russen sind äußerst solidarisch gegenüber ihrem Vorgesetzten. Außerdem verfügen Sie über einen hohen Nationalstolz. Sie nehmen einen Landsmann immer in Schutz, ob er nun Recht hat oder nicht.

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