Stakeholder

Stakeholder

Jedes Unternehmen berührt die Interessen vieler Personen. Sie sind die Stakeholder. Diese sind alle Parteien, die Erwartungen an die Unternehmensführung haben. Investoren, Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten, aber auch die öffentliche Verwaltung und die Politik, sie alle sind Stakeholder, die irgendein Interesse am Unternehmen haben.

 

Meint der Begriff ursprünglich nur anspruchsberechtigte Personen oder Institutionen, sind heute alle von einem Unternehmen betroffenen Personen oder Instanzen gemeint. Mit anders gerichteten Interessen können die Stakeholder das Interesse eines Unternehmens auch einschränken.

 

Im Unterschied zu einem Shareholder, der als Anteilseigner finanziell und rechtlich am Unternehmen beteiligt ist, ist ein Stakeholder jeder, dessen Interesse von der Existenz oder vom Handeln eines Unternehmens berührt wird. Dabei können auch Projekte, Systeme oder Erzeugnisse gemeint sein.

 

Der Begriff des Stakeholders wird sogar in den Wirtschaftswissenschaften unscharf benutzt. An einigen Beispielen lässt sich jedoch zeigen, dass er zugleich sehr fruchtbar ist und in jedem Unternehmen eine vitale Rolle für das strategische Management spielt.

 

Stakeholder-Analyse: ein Unternehmen und sein Umfeld

 

Aus der Sicht des strategischen Managements sind die Stakeholder von grundlegender Bedeutung für Risiko-Bewertungen. Um deren Vielfalt einzugrenzen und zu strukturieren, sind in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts mehrere Modelle für die makro-ökonomischen Einflussfaktoren auf ein Unternehmen entwickelt worden. Als eine Weiterentwicklung der sogenannten PEST-Analyse hat sich die PESTEL-Analyse etabliert. Der Name steht für politische (Political), ökonomische (Economic), soziale (Social), technologische (Technological), ökologische (Ecological) und rechtliche (LawEinflussfaktoren.

 

PESTEL-Analyse

 

Zu den politischen Faktoren gehören zum Beispiel Subventionen. Weil die Zuweisung von Fördermitteln eine Aufgabe der Verwaltung und oft zudem eine politische Entscheidung ist, sind Repräsentanten von Verwaltung und Politik Stakeholder eines Unternehmens, das sich an einem Ort niederlässt. Die Größe des Absatzmarktes, die Entwicklung des Einkommensniveausund die Inflationsrate sind Beispiele von wirtschaftlichen Faktoren. Sie machen Konsumenten, Geldinstitute, aber auch Zulieferer zu Stakeholdern.

 

Die Sozialen Einflussfaktoren sind zum Beispiel das Einkommensniveau, das Durchschnittsalter und die Lebenshaltungskosten. Mitarbeiter sind die wichtigsten sozialen Stakeholder. Technische Aspekte sind zum Beispiel Patente oder Innovationen, an denen zahlreiche Akteure ein Interesse haben. Durch ökologische Nah- und Fernwirkungen sind alle in der Mitwelt Lebenden Stakeholder. Schließlich gehören Finanzbeamte, die Industrie- und Handelskammer, Anwälte und alle, die in Rechtsverhältnissen zum Unternehmen stehen, zu den Stakeholdern.

 

Die PESTEL Analyse basiert auf der Annahme, dass alles, worauf ein Unternehmen eine Auswirkung hat, auch umgekehrt einen Einfluss auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens hat. Eine PESTEL-Analyse ist die Analyse der Wirkungen der Umwelt auf ein Unternehmen. Sie ist das Gegenstück zur Analyse der Stärken und Schwächen (SWOT-Analyse) in den Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt. Beide Teile zusammen bilden die Risiko-Bewertung für eine Strategie.

 

Stakeholder Relations Management (SRM)

 

StakeholderEine Ausweitung des bekannten Customer Relations Management (CRM) von den Kunden auf alle Akteure, die ein Interesse an den Wirkungen eines Unternehmens auf seine Umwelt haben, ist das Stakeholder Relations Management (SRM).

 

Stakeholder haben einen Einflussgrad und einen Wirkungsgrad. Durch Kombination dieser Faktoren lässt sich das Interesse eines Stakeholders an einem Unternehmen gewichten. Der Einflussgrad ist das Vermögen, eine Wirkung auszuüben, der Wirkungsgrad die Kraft der tatsächlichen Ausübung dieses Einflusses.

 

Primäre Stakeholder haben einen großen Einflussgrad, während ihr Wirkungsgrad beschränkt ist, zum Beispiel die Modegeschäfte als Kunden einer Modemarke. Sekundäre Stakeholder haben sowohl einen geringen Einflussgrad als auch einen geringen Wirkungsgrad, zum Beispiel ein Konsument, der eine Modemarke kauft. Die Key-Stakeholder entfalten bei einem mehr oder weniger starken Einflussgrad eine große Wirkung, zum Beispiel ein Modedesigner, der eine Stilrichtung prägt.

 

Projektmanagement: Projekt-Partner als Stakeholder

 

Fast jedes Unternehmen führt Projekte durch oder ist an Projekten mit anderen Unternehmen beteiligt. Projekte sind zeitlich begrenzte, geplante, zielgerichtete und gesteuerte Handlungsabläufe. In der Regel verfügt ein Projekt über ein eigenes Budget. Projekte finden häufig einmalig statt. Es gibt Projekte zur Optimierung von Arbeitsabläufen, zum Beispiel in der Produktion oder in Lieferketten, Projekte zur Qualitätsverbesserung und zum Team-Building.

 

Projekte zeichnet aus, dass ihre Stakeholder ein Interesse am Ziel haben. Die ISO-Norm 10006 für die Qualität von Projektmanagement definiert den Begriff der Projekt-Beteiligten als die Gruppe der Personen oder Instanzen, die ein Interessean einem Projekt haben. Der Begriff des Stakeholders fällt im Projektmanagement mit dem des Projekt-Beteiligten zusammen.

 

Die Stakeholder eines Projekts spielen eine wichtige Rolle in der Projektplanung. Einzelne Arbeitsschritte oder Meilensteine im Zeitplan erscheinen den Beteiligten als Hürden. Diese sind aber durch das Interesse an dem Erreichen eines gemeinsamen Ziels gerechtfertigt. Die Abwägung von Nutzen und Aufwand muss nicht nur für das Gesamtprojekt, sondern für jeden Stakeholder zu einem positiven Ergebnis führen. Auf der Basis einer Stakeholder-Analyse findet eine Allokation der Projektkosten statt.

 

Ist für jeden Stakeholder eines Projekts das Interesse gewichtet, kann die Kommunikation mit Bezug zum Projekt im Unternehmen gesteuert werden. Stakeholder mit einem relativ geringen Interesse brauchen mehr Aufmerksamkeit der Projektleitung als intrinsisch motivierte.

 

Konkurrenten als Stakeholder

 

StakeholderDie wenigsten Unternehmen besitzen ein Monopol. Üblicherweise teilt ein Unternehmen den Markt mit Mitbewerbern. Sind die Mitbewerber Stakeholder eines Unternehmens?

 

Einerseits ja. Denn konkurrierende Unternehmen sind Mitglied derselben Branche und gemeinsam mit der Konkurrenz im Branchenverband organisiert. Der Branchenverband vertritt die gemeinsamen Interessen aller angeschlossenen Unternehmen. Im politischen Prozess der Festlegung von Abgasnormen ist jedes Unternehmen der Auto-Industrie Stakeholder aller anderen Unternehmen der Branche.

 

Andererseits nein. Denn das Verschwinden eines Unternehmens stellt häufig eine Marktbereinigung dar, die eine Stärkung der übrigen Branche ist. In der Bekleidungsindustrie ist das Verschwinden vieler Marken ohne Existenzberechtigung wichtig für den Fortbestand der übrigen. Von den großen Kaufhäusern in Deutschland können möglicherweise einige dadurch überleben, dass die anderen untergehen. Würden diese subventioniert und weiter ihren Anteil des Marktes beanspruchen, könnten alle untergehen.

 

Im Ergebnis ist festzustellen, dass Stakeholder zwar einschränkend auf das Interesse eines Unternehmens wirken können, aber nicht die Existenz eines Unternehmens in Frage stellen. Die Umwohnenden eines Flughafens schränken als Stakeholder das Interesse der Betreibergesellschaft ein, wenn sie Lärmbelästigung eindämmen wollen. Wollen sie jedoch die Existenz des Flughafens beenden, dann sind sie keine Stakeholder. Entsprechend sind Unternehmen, die ein Interesse am Untergang anderer Parteien in ihrer Branche haben, keine Stakeholder dieser Unternehmen.

 

Gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens

 

Eine Analyse der Stakeholder ist der Schlüssel zu einer tragfähigen Nachhaltigkeitspolitik eines Unternehmens.

 

In sozialer Perspektive ist Verantwortung für die Arbeits- und Lebensumstände von Mitarbeitern zu übernehmen. Diese Verantwortung erstreckt sich auf die Arbeitsbedingungen bei Zulieferern, auch in anderen Ländern. Arbeitnehmer stromaufwärts in der Wertschöpfungskette sind Stakeholder von Unternehmen in Deutschland, weil diese als Abnehmer Forderungen an ihre Lieferanten stellen können. In der Bekleidungsindustrie zeigt sich, dass Konsumenten in Deutschland und Arbeiterinnen und Arbeiter in Schwellenländern Stakeholder mit demselben Interesse an nachhaltiger Produktion sein können.

 

In ökologischer Perspektive lässt sich der Umfang des Begriffs eines Stakeholders nicht mehr einschränken. Denn alle Lebewesen teilen eine und dieselbe Natur. Zumindest alle Menschen als die Lebewesen, die ein Interesse artikulieren und verfolgen können, sind als Stakeholder aller diejenigen Unternehmen anzuerkennen, die in einer messbaren Weise die Natur beeinflussen. Das gilt um so mehr, wenn eine Schädigung der Natur vorliegt, zum Beispiel durch eine Zerstörung natürlicher Arten oder eine Ausbeutung von Ressourcen.

 

Fazit

 

Der Begriff des Stakeholders hat unscharfe Grenzen. Das ist zugleich seine Schwäche und der Grund seiner Fruchtbarkeit. Obwohl sich dieser Begriff in den seltensten Fällen auf eine bestimmte fest umgrenzte Gruppe einschränken lässt, kann durch ihn das Interesse eines Unternehmens durch andere Interessen eingeschränkt oder unterstützt werden. Die Stakeholder-Analyse ist deshalb ein wesentlicher Baustein für die Rechtfertigung einer Unternehmensstrategie.

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