Die Wachstumsrate als wirtschaftliche Kennzahl

Wachstumsrate

Die Wachstumsrate als wirtschaftliche Kennzahl

Die Wachstumsrate ist die wahrscheinlich am meisten bekannte und genutzte Kategorie zur Beurteilung wirtschaftlicher Entwicklung. Sie misst die Performance ganzer Volkswirtschaften ebenso wie diejenige einzelner Unternehmen. Anlässlich der Veröffentlichung neuer Wachstumsraten tauchen regelmäßig Fragen hinsichtlich der Aussagekraft solcher Zahlen auf. Allerdings hat dies wenig daran geändert, dass die Wachstumsrate als Analyseeinheit der Wirtschaftsleistung weiterhin eine äußerst zentrale Bedeutung hat.

 

Berechnung der Wachstumsrate

 

Die mathematische Herleitung der Wachstumsrate ist wegen ihrer Simplizität bei weitem nicht nur Fachleuten bekannt. Dennoch sei ihr Prinzip hier noch einmal beschrieben. Wachstumsraten berechnen die relative Zunahme eines Wertes über die Zeit. Eine Volkswirtschaft, ein Unternehmen oder eine Abteilung hat zum Ausgangszeitpunkt eine bestimmte Größe. An einem zweiten Messzeitpunkt hat sich diese Größe verändert.

 

Die Rate des Wachstums beschreibt nun die Veränderung dieser Größe im Verhältnis zum Ausgangswert innerhalb dieses Messintervalls. Wie an ihrem Namen abzulesen ist, geht die Rate dabei meist von einem positiven Wachstum aus. Genauso kann aber eine negative Veränderung der Größe in Form einer negativen Wachstumsrate dargestellt werden.

 

Beispielhaft könnte man also formulieren: Ein Unternehmen macht zum Ausgangszeitpunkt (Ende 2010) einen Jahresumsatz von einer Million Euro. Zum nächsten Messzeitpunkt (Ende 2020) weist es einen Jahresumsatz von 1,25 Millionen Euro auf. Die Wachstumsrate für diesen Zeitraum betrug also 0,25 (1,25 Millionen Euro minus eine Million Euro geteilt durch eine Million Euro). Man könnte auch formulieren, dass der Umsatz um 25 Prozent gewachsen ist.

 

Besondere Wachstumsraten

 

Jedes Jahr veröffentlicht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sein mit Spannung erwartetes Jahresgutachten. Das in den Medien mit Abstand am weitesten zitierte Ergebnis ist das jährliche Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Es wird als eine zentrale Analyseeinheit für den Erfolg oder Misserfolg von wirtschaftspolitischen Maßnahmen herangezogen.

 

Von besonderer betriebswirtschaftlicher Bedeutung ist die zusammengesetzte jährliche Wachstumsrate (Compound Annual Growth Rate beziehungsweise CAGR). Diese errechnet durchschnittliches jährliches Wachstum eines bestimmten Untersuchungsgegenstands. Die CAGR hat den Vorteil, dass sie untypische Ausschläge in einer langfristigen Wachstumsentwicklung ausgleicht. Sie kann ausschlaggebend sein für bestimmte Investitionsentscheidungen oder ein längerfristiges Marktklima veranschaulichen.

 

Die mathematische Ermittlung der zusammengesetzten jährlichen Wachstumsrate ist ein wenig komplizierter als die der einfachen Rate, folgt aber dem gleichen Prinzip. Dabei wird zunächst der letzte Messwert durch den Ausgangswert geteilt. Anschließend ziehen Sie aus dem Ergebnis die n-te Wurzel, wobei n die Anzahl der regelmäßig erhobenen Messwerte ist. Im oben beschriebenen Beispiel wird die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Unternehmensumsätze also errechnet, indem man 1,25 Millionen Euro durch eine Million Euro teilt und dann die zehnte Wurzel aus dem Ergebnis zieht.

 

Umgekehrt können Sie sehr punktgenaue Analysen des Wachstums zu einem bestimmten Zeitpunkt über die diskrete Wachstumsrate darstellen. Da Wachstum in der Regel exponentiell und nicht linear stattfindet, kann auch diese Betrachtung durchaus relevant sein. Mathematisch Bewandertere wissen, dass man den punktuellen Steigungswert auf einer Wachstumskurve errechnen kann, indem man über die unendliche Annäherung an den Ausgangszeitpunkt einen Grenzwert ermittelt.

 

Kritik an der Wachstumsrate

 

WachstumsrateWachstumsraten sind sehr einfach zu begreifen, was sicherlich dazu beiträgt, dass sie ein so universeller Indikator für wirtschaftliche Entwicklung sind. Gerade in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung ist ihre Aussagekraft jedoch durchaus umstritten. Das hat vor allem damit zu tun, dass sie die Betrachtung auf einige zahlenmäßig leicht zu erfassende Indikatoren begrenzt – im Falle des BIP zum Beispiel die in Geldeinheiten erfasste Wirtschaftsleistung.

 

Wirtschaftsleistungen die nicht durch Geldwerte erfasst werden – zum Beispiel unbezahlt verrichtete Arbeit – fallen dabei unter den Tisch. Ebenso verhält es sich mit möglichen negativen Auswirkungen auf Faktoren außerhalb des modellierten Untersuchungsgegenstands. So können sich zum Beispiel wirtschaftlich positiv erfasste Aktivitäten auf Dauer negativ auf die Bodenqualität auswirken und zukünftiges Wirtschaftstreiben behindern.

 

Dies ist auch auf die betriebswirtschaftliche Sicht übertragbar. Wenn zum Beispiel das messbare Wachstum eines Unternehmens oder einer Abteilung darauf beruht, dass es die Ressourcen seiner Mitarbeiter auslaugt und diese auf lange Sicht krankheitsbedingt auffallen, sind die Raten nur bedingt aussagekräftig. Sie birgt dann mindestens einige Ungenauigkeiten, im schlechtesten Fall aber führt sie zu komplett falschen Beurteilungen der wirtschaftlichen Lage.

 

Fazit

 

Wie die meisten wirtschaftswissenschaftlichen Kennzahlen ist die Rate des Wachstums als Indikator zu verstehen. Nicht alles in realen Wirtschaftsabläufen Relevante wird von ihr erfasst. Dennoch kann sie Entwicklungstendenzen einzelner Unternehmen, aber auch ganzer Volkswirtschaften verdeutlichen. Nicht zuletzt führt ihr nahezu universeller Gebrauch auch dazu, dass sie Trends, die sie selbst anzeigt, auch realwirtschaftlich befeuert. Sie wird dann eine Art selbsterfüllender Prophezeiung.

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