Was versteht man unter Streik in Deutschland?

Streik

Was versteht man unter Streik in Deutschland?

Von einem Streik spricht man, wenn Arbeitnehmer zusammen die Arbeit verweigern, um ihren Arbeitgeber zu Zugeständnissen zu bewegen. Es handelt sich also nur dann um einen Streik, wenn mehrere Arbeitnehmer gemeinsam streiken, wenn es um Zugeständnisse seitens des Arbeitsgebers (oder des Arbeitgeberverbands) geht und wenn die Arbeitnehmer zuvor nicht gekündigt haben.

 

Heutzutage bezeichnet man auch andere Formen des Protests umgangssprachlich als Streik, die nicht unbedingt unter diese Definition von Streik fallen. Während der sogenannte „Kündigungsstreik“ heute nicht mehr verbreitet ist, spricht man jedoch mitunter von SchülerstreiksStudentenstreiks und Gefangenenstreiks. Bei diesen Formen des Protests handelt es sich jedoch nicht um Streiks im Sinne des Arbeitsrechts, da Schüler, Studenten und Gefangene keine Leistungspflicht aus einem Arbeitsvertrag gegenüber der „bestreikten“ Institution haben.

 

Neben dem normalen Streik einer Arbeiterschaft im Rahmen des Streikrechts gibt es auch den sogenannten „wilden Streik“, bei dem die Arbeitsniederlegung nicht autorisiert wurde. Historisch bedeutsam waren auch Generalstreiks, bei denen die gesamte Wirtschaft eines Landes oder einer Region stillstand, um politische Forderungen durchzusetzen.

 

Warum spricht man von einem „Streik“?

 

Beim Wort „Streik“ handelt es sich um ein Lehnwort aus dem Englischen. Dort ist das Wort „strike“ im Sinne eines Streiks seit 1768 verbreitet, als englische Seeleute durch das Herunterlassen der Rahen einige Schiffe am Auslaufen hinderten. Der Ausdruck „strike the sails„, also die Segel streichen, entwickelte sich zum geflügelten Wort für Streiks und fand bald auch Eingang in die deutsche Sprache.

 

Wie entstanden Streiks?

 

StreikUm die heutigen Formen des Streiks und seine rechtlichen Hintergründe zu verstehen, sollte man seine historischen Ursprünge kennen. Obwohl das Wort für Streiks noch relativ jung ist, blicken Streiks auf eine lange Geschichte. Seine Anfänge gehen bis in die Antike zurück.

 

Bereits aus dem Alten Ägypten finden sich Überlieferungen von Streiks. So legten Bauarbeiter der Königsgräber Ramses‘ III im Jahre 1159 v. Chr. die Arbeit nieder, nachdem ihnen achtzehn Tage ihr Getreide verwehrt blieb. Und auch im Mittelalter kam es zu Streiks, zum Beispiel unter den Gesellen der Gürtelmacher in Breslau im Jahre 1329.

 

Besonders große Bedeutung erlangten Streiks während und nach der industriellen Revolution. Denn während Lohnarbeit mehr und mehr das Lehnswesen ablöste, wurden Streiks zur wichtigen Interessensvertretung der Arbeiterschaft gegenüber den Industriellen. Obwohl Gewerkschaften und gewerkschaftliche Vereine Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in Deutschland verboten waren, kam es zu immer mehr Streiks, gegen die das deutsche Kaiserreich mit mehr und mehr Gewalt vorging.

 

Während Streiks in der Weimarer Republik zu Beginn eine große politische Rolle spielten, nahm ihre Bedeutung in Folge der Arbeitslosigkeit zu ihrem Ende hin deutlich ab. Daher konnten Streiks auch nicht den Aufstieg des Nationalsozialismus abwehren. Nach dem zweiten Weltkrieg waren Streiks in allen sozialistischen Ländern einschließlich der DDR verboten, während sie sich in Westdeutschland zu verbreiteten Mitteln der Interessenvertretung etablierten.

 

Welche Formen von Streiks gibt es?

 

Bei Streiks im engen Sinne unterscheidet man drei Formen, nämlich Arbeitseinstellung, Bummelstreik und Dienst nach Vorschrift. Daneben ist die Unterscheidung nach dem Motiv des Streiks oder nach der Art der Durchführung verbreitet.

 

Bei der Arbeitseinstellung verweigern die Arbeitnehmer die Durchführung ihrer Arbeit komplett. Dabei können sie entweder gar nicht zur Arbeit erscheinen, oder sie finden sich am Arbeitsplatz ein, aber nehmen ihre Arbeit nicht auf. Beim Bummelstreik spricht man von einer sogenannten „Schlechtleistung – es wird also Arbeit verrichtet, jedoch deutlich unter dem erwarteten Niveau. Der Dienst nach Vorschrift zeichnet sich durch die übergenaue Befolgung der Arbeitsvorschriften aus, was zur absichtlichen Störung des Arbeitsablaufs führt.

 

Bedeutende Streikmotive sind der Proteststreik, der Solidaritätsstreik und der Warnstreik. Einen Proteststreik trägt man nur befristet aus, da er sich sich gegen einen bestimmten Vorfall richtet. Beim Solidaritätsstreik drücken die Arbeitnehmer ihre Solidarität für Arbeitnehmer eines anderen Betriebs aus. Und unter einem Warnstreik versteht man einen kurzen oder begrenzten Streik zur Warnung des Arbeitgebers. In Deutschland sind Warnstreiks auch ohne vorherige Abstimmung rechtlich möglich.

 

Neben dem Streikmotiv können Streiks auch nach der Art ihrer Durchführung unterschieden werden. Bedeutende Arten der Streikdurchführung sind der VollstreikTeilstreikPunktstreik und der bereits erwähnte Generalstreik. Von einem Vollstreik spricht man, wenn alle Beschäftigte eines Wirtschaftszweiges Streiken. Dagegen streiken bei einem Teilstreik nur bestimmte Abteilungen oder Arbeitnehmergruppen. Beim Punktstreik wechseln sich Abteilungen oder Standorte im Streik ab.

 

Ist Streiken erlaubt?

 

Ja, Streiken ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt und sogar im Grundgesetz verankert – jedoch mit Einschränkungen und nur unter bestimmten Voraussetzungen. Artikel 9 Absatz 3 im Grundgesetz garantiert die sogenannte „Koalitionsfreiheit„, also das Recht von Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sich zusammenzuschließen, um Interessen durchzusetzen. Dazu darf auch das Mittel des Arbeitskampfes, also das Streiken, genutzt werden.

 

Jedoch müssen alle Streiks von einer Gewerkschaft getragen sein, um rechtmäßig zu sein. Dazu müssen die zuständigen Gremien innerhalb der Gewerkschaft den Streiks zustimmen. Daraufhin ruft die Gewerkschaft zu Streiks auf und muss die betreffenden Berufsgruppen, Orte und Zeiten nennen. Diesen notwendigen gewerkschaftlichen Streikaufruf gibt die Gewerkschaft dann in der Öffentlichkeit bekannt. Außerdem müssen alle Streiks im Rahmen der gewerkschaftlichen Tarifpolitik einen positiven Beitrag leisten.

 

Streiken darf dann jeder, der vom sogenannten „Streikgegenstand“ betroffen ist, also unter die entsprechenden Berufsgruppen, Orte und Zeiten fällt. Auch wer kein Mitglied einer Gewerkschaft ist, darf streiken, erhält jedoch weder Streikgeld noch Rechtsschutz.

 

Welche Voraussetzungen müssen Streiks erfüllen?

 

Damit Streiks rechtlich zulässig sind, müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Neben dem Gebot, dass alle Streiks von einer Gewerkschaft getragen werden muss, müssen Streiks außerdem ein tariflich regelbares Ziel verfolgen, welches auch tarifrechtlich zulässig ist. Außerdem dürfen Streiks erst nach Ablauf der sogenannten „Friedenspflicht“ begonnen werden und müssen verhältnismäßig sowie das letzte Mittel zur Durchsetzung der Forderungen sein.

 

Das Ziel des Streiks ist dann tariflich regelbar, wenn der Arbeitgeber auch tatsächlich durch tarifliche Regelungen den Forderungen der Streikenden nachkommen kann. Das ist zum Beispiel dann nicht der Fall, wenn Streiks auf politische Forderungen abzielen, die gar nicht im Machtbereich des Arbeitgebers liegen. In diesem Fall handelt es sich um unrechtmäßige politische Streiks, wie sie zum Beispiel in Frankreich häufig vorkommen. Darüber hinaus müssen die Forderungen tarifrechtlich zulässig sein, also mit geltendem Tarifrecht vereinbar sein.

 

Friedenspflicht heißt, dass sich die Gewerkschaft für eine bestimmte Zeit verpflichtet hat, auf Streiks zu verzichten. Folglich darf die Gewerkschaft während dieser Zeit, zum Beispiel während der Laufzeit eines Lohntarifs, nicht zu Streiks für weitere Lohnerhöhungen aufrufen und es können daher keine rechtlich zulässigen Streiks zu diesem Thema stattfinden.

 

Warum müssen Streiks verhältnismäßig und das letzte Mittel sein?

 

Streiks dürfen nicht völlig aus dem Ruder laufen, sondern müssen zum Streikgegenstand in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Demnach kann es zum Beispiel nicht das Ziel des Streiks sein, den „Gegner“ des Streiks vollständig zu vernichten. Schließlich handelt es sich immer um den eigenen Arbeitgeber. Wenn ein Streik also das Ziel hat, den bestreikten Betrieb zur Insolvenz zu führen, dann ist er unverhältnismäßig und rechtlich nicht zulässig.

 

Außerdem muss ein Streik das letzte Mittel (die sogenannte „ultima ratio“) sein, um die Forderungen der Streikenden durchzusetzen. Das heißt, dass die Gewerkschaft nicht ohne vorherige Verhandlungen einen Streik beginnt, sondern erst nach Scheitern der Verhandlungen. Rechtlich davon ausgenommen sind Warnstreiks.

 

Was muss man während des Streiks beachten?

 

Wie ein Streik konkret ausgestaltet ist, hängt von den Bedingungen vor Ort ab. Im Fall einer kompletten Arbeitseinstellung kann man jedoch nicht einfach zuhause bleiben. Stattdessen finden meist gemeinsame Aktionen statt, welche verbinden, informieren und solidarisieren sollen. So kann ein Streiktag zum Beispiel mit einem Streikfrühstück beginnen, woraufhin Kundgebungen und Diskussionsrunden folgen, welche die Öffentlichkeit auf die Ziele der Streikenden aufmerksam machen.

 

Besonders wichtig ist in Deutschland die Protokollierung der Streikenden. Jeder Streikende muss sich an jedem Tag des Streiks in eine Liste eintragen, damit seine Teilnahme am Streik nachgewiesen ist. Streikgeld von der Gewerkschaft bekommt nur, wer sich in diese Liste eingetragen hat! Wer also einen Streik nutzen will, um einen Tag für sich zu haben, der wird mit diesem Ziel scheitern und im schlimmsten Fall seinen Job riskieren.

 

In vielen Berufsgruppen hätte ein kompletter, ausnahmsloser Streik fatale Folgen für Dritte. Darum wird in vielen Fällen ein Notdienst eingerichtet, wenn durch einen Streik wichtige Einrichtungen geschlossen wären. Zuständig für die Planung und Einrichtung von Notdiensten sind die Gewerkschaften vor Ort.

 

Welche Folgen kann ein Streik haben?

 

Ein Streik, der unrechtmäßig ist, kann zu arbeitsrechtlichen Sanktionen bis hin zu Abmahnung oder Kündigung führen. Dagegen sind diese Maßnahmen bei rechtlich zulässigen Streiks ausgeschlossen. Wer jedoch streikt, verliert in jedem Fall seinen Anspruch auf Bezahlung für die Zeit des Streiks. Falls der oder die Streikende Mitglied der entsprechenden Gewerkschaft ist, springt diese mit der Streikunterstützung ein.

 

Zu beachten ist, dass im Fall einer Kündigung aufgrund eines unrechtmäßigen Streiks auch das Arbeitslosengeld ruht, bis der Streik vorbei ist. Grund dafür ist, dass die Bundesagentur für Arbeit gesetzlich verpflichtet ist, sich aus Arbeitskämpfen herauszuhalten.

 

Im Übrigen gibt es keine Pflicht der Streikenden, den wirtschaftlichen Schaden auf Seiten des Arbeitgebers durch den Streit zu ersetzen, sofern es sich um einen rechtlich zulässigen Streik handelte. Schließlich ist der unbeglichene wirtschaftliche Schaden genau das Druckmittel des Streiks. Außerdem sind Eintragungen in Personalakten unzulässig, sofern es sich um einen rechtlich zulässigen Streik handelt.

 

Welche deutschen und internationalen Gesetze bestehen zum Streik?

 

StreikDie Gesamtheit des geltenden Rechts zum Streik nennt man in Deutschland auch Arbeitskampfrecht. Wichtige Rechtsnormen sind hierzu das Grundgesetz (GG), das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), sowie die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG)

 

Auch internationale Regelungen und Gesetze kommen im deutschen Streitrecht zur Geltung. Von großer Bedeutung sind hierbei die Europäische Menschenrechtskonvention des Europarats sowie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Beide sprechen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern besondere Rechte auf kollektive Maßnahmen der Interessenvertretung zu.

 

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) beinhaltet in Artikel 11 ein Recht auf Tarifverhandlungen und damit verknüpft ein Streikrecht in Bezug auf Arbeitsbedingungen. Auch hier sind Angehörige der Staatsverwaltung, der Streitkräfte und der Polizei jedoch ausgeschlossen.

 

In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union kommt in Bezug auf das Streikrecht Artikel 28 zum Tragen. Demnach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Recht, Tarifverträge mit geeigneten Maßnahmen auszuhandeln und gegebenenfalls bei Interessenkonflikten ihre Interessen durch einen Streik zu verteidigen. Zu beachten ist, dass der Europäischen Union keine Kompetenzen bezüglich des Arbeitsentgelts, des Koalitionsrechts, des Aussperrungsrechts und des Streitrechts zukommt – sie darf sich also nicht in den Streik einmischen.

 

Haben Beamte in Deutschland ein Streikrecht?

 

Beamte haben in Deutschland kein Recht auf Streiks. Selbiges gilt für Richter und Soldaten. Bummelstreik und Dienst nach Vorschrift sind ebenso ausgenommen. Dabei besteht eine enge Verbindung mit beamtenrechtlichen Grundprinzipien wie AlimentationsprinzipTreuepflicht und Lebenszeitprinzip.

 

Rechtlich gesehen sind Streiks von Beamten weder verwaltungsrechtlich noch verfassungsrechtlich zulässig, was aus Paragraph 61 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes hergeleitet ist. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bekräftigte dieses Streikverbot in einem Urteil im Jahre 2018 zum damaligen sogenannten „Lehrerstreik„.

 

Hingegen sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowohl aus der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst berechtigt, Streiks entsprechend der rechtlichen Voraussetzungen durchzuführen. Beachten Sie hierbei die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Beamten im öffentlichen Dienst.

 

Welche Formen des Streiks gibt es außerhalb des Arbeitslebens?

 

StreikStreik im engeren Sinne bezeichnet nur Maßnahmen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, um durch Arbeitskampf eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse herbeizuführen. Umgangssprachlich als Streik bezeichnete Formen der Interessenverteidigung wie zum Beispiel Schulstreiks, Studentenproteste und Boykotts sind demnach keine Streiks im engeren Sinn. Dennoch sollten sie nicht ungenannt bleiben.

 

Von besonderer Bedeutung wurden in Deutschland die Studentenproteste der Siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, in denen westdeutsche und später auch ostdeutsche Studenten gegen verkrustete gesellschaftliche Strukturen und gegen eine fehlende Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus, sowie für mehr Demokratie, Emanzipation und Bürgerbeteiligung auf die Straße gingen.

 

In jüngster Zeit sorgen die Schulstreiks von „Fridays for Future für mediale Aufmerksamkeit, bei denen Schülerinnen und Schüler bis vor der Corona-Pandemie freitags während der Schulzeit für Klimagerechtigkeit und nachhaltige Klimapolitik demonstrierten. Wie auch die Studentenproteste fünfzig Jahre zuvor führten die Schulstreiks zu anhaltenden Diskussionen.

 

Wirtschaftliche Aspekte zum Streik

 

Sinn und Zweck eines Streiks im engeren Sinne ist es, sich spürbar negativ auf die wirtschaftlichen Kennzahlen des bestreikten Unternehmens auszuwirken. Da im betroffenen Unternehmen der Produktionsprozess massiv beeinträchtigt oder ganz unterbrochen ist, sind Produktionsausfall, Umsatzrückgang und die Minderung des Gewinns die Folge. So soll der Arbeitgeber gezwungen werden, auf die Forderungen der Streikenden einzugehen, um seinen eigenen wirtschaftlichen Schaden gering zu halten.

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