Kleinunternehmen – Freiheit mit kalkuliertem Risiko

Kleinunternehmen

Kleinunternehmen – Freiheit mit kalkuliertem Risiko

Ein eigenes kleines Unternehmen zu gründen und sich damit von den Fesseln der Lohnarbeit zu befreien ist eine verlockende Vorstellung für viele Arbeitnehmer. Die Politik, wiederum, erhofft sich von einer breiten und ausdifferenzierten Unternehmerlandschaft zeitgemäße Lösungen für einen Arbeitsmarkt im Wandel und Impulse für Innovation. Dementsprechend hat sie eine Reihe von Instrumenten geschaffen, welche den Einstieg in die Selbstständigkeit erleichtern sollen. Kleinunternehmen sind hier eine gute Lösung.

 

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu sortieren: Wie sieht ein Kleinunternehmen aus? Was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen? Wie gründet man ein Kleinunternehmen? Was ist vor und bei der Gründung zu bedenken?

 

Was heißt überhaupt „klein“?

 

Zum Stichwort „Wirtschaft“ fallen den meisten Menschen wohl als erstes Fließbänder und große Produktionshallen ein. Sie denken an Containerschiffe und rauchende Schornsteine, die Markenlogos großer Konzerne, vielleicht den Deutschen Aktienindex. Das alles sind zweifelsfrei bedeutende Teile von Wirtschaft. Für den größeren Anteil der Wirtschaftsleistung sind jedoch sogenannte Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) verantwortlich.

 

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zeichnet hier für das Jahr 2018 ein klares Bild: KMU machen über 99 Prozent aller Unternehmen aus und erwirtschaften über die Hälfte aller Gewinne. In ihnen arbeiten fast 60 Prozent aller Beschäftigten und sogar 80 Prozent der Auszubildenden. Es ist also kein Wunder, dass der Bezug auf KMU seit geraumer Zeit in keiner wirtschaftspolitischen Rede mehr fehlen darf.

 

Freilich gibt es innerhalb der Gruppe der KMU beträchtliche strukturelle Unterschiede. So rechnet ihr die Europäische Kommission alles vom 1-Personen-Kleinstbetrieb bis hin zu 50-Millionen-Umsatz-Unternehmen mit 249 Beschäftigten zu. Dabei unterteilt sie die unteren Kategorien noch einmal in Kleinstunternehmen mit bis zu 2 Millionen Euro Umsatz und maximal 9 Beschäftigten und Kleinunternehmen mit bis zu 10 Millionen Euro Umsatz und maximal 49 Beschäftigten.

 

Kleinunternehmen, Kleinunternehmer und Kleingewerbe

 

KleinunternehmenWährend sich diese Einteilung auf rein strukturelle Merkmale bezieht, liegt eine Besonderheit von Kleinunternehmertum jedoch vor allem im deutschen Steuerrecht. Kleinunternehmen bedeutet hier: Das Unternehmen ist von der Umsatzsteuer befreit (beziehungsweise sie wird vom Finanzamt nicht erhoben). Voraussetzung dafür ist, dass der Kleinunternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr einen Umsatz von 50.000 Euro und im laufenden Jahr einen Umsatz von 22.000 Euro nicht überschreitet. Zusätzliche Erleichterung erhält der Kleinunternehmer im Bereich der Einkommenssteuererfassung. Hier reicht eine einfache Einnahme-Überschussrechnung aus, um dem Finanzamt die Geschäftstätigkeit nachvollziehbar darzulegen.

 

Dabei ist es wichtig zu beachten, dass sich die Regelung mitsamt ihren Umsatzgrenzen auf die Person des Kleinunternehmers bezieht, nicht auf das Kleinunternehmen. Das heißt also ein Kleinunternehmer darf diese Grenzen nicht überschreiten, auch wenn er den Umsatz auf mehrere Kleinunternehmen verteilt. Der Gesetzgeber steckt die Grenzen hier relativ eng, weil er davon ausgeht, dass der Status des Kleinunternehmers nur für eine Übergangszeit greift und nicht dauerhaft.

 

Nicht immer führt ein Kleinunternehmer auch ein Gewerbe. Denn auch freiberufliche Selbstständige können Kleinunternehmer sein. Aber wenn er ein Gewerbe anmeldet, handelt es sich in der Regel um ein sogenanntes Kleingewerbe. Damit profitiert er von handelsrechtlichen Erleichterungen. Wer ein Kleingewerbe betreibt, ist nämlich nicht an die im Handelsgesetzbuch festgehaltene Pflicht zur doppelten Buchführung gebunden.

 

Das kann für Unternehmen in der Gründungsphase durchaus eine große Entlastung darstellen. Ein Kleingewerbe ist jedoch an die Umsatzobergrenze von 600.000 Euro beziehungsweise die Gewinnobergrenze von 60.000 Euro pro Kalenderjahr gebunden. Der Begriff Kleinstunternehmen ist weder steuerrechtlich noch handelsrechtlich relevant.

 

Motivation für die Selbstständigkeit

 

Was aber treibt Menschen an, ein Kleinunternehmen zu gründen? Viele Menschen in angestellter Beschäftigung haben den Traum sich von ihrer Lohnarbeit unabhängig zu machen. Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeitssituation ist in Deutschland besonders verbreitet. So fand das Unternehmen Peakon 2020 heraus, dass knapp ein Viertel der Angestellten unmotiviert ist. Dabei sind häufig genannte Ursachen mangelnder Entscheidungsspielraum, schlechte Mitarbeiterführung und unflexible Arbeitsmodelle.

 

Somit ist es kein Wunder, dass bei vielen der Wunsch aufkommt, mehr Selbstständigkeit zu wagen. Sein eigener Chef zu sein, die Arbeit zeitlich und räumlich selbstbestimmt organisieren zu können, den Arbeitsumfang auf die eigenen Bedürfnisse innerhalb der Work-Life-Balance abzustimmen – das alles wirkt auf die allermeisten auf den ersten Blick verlockend.

 

Diese vermuteten Reize der Selbstständigkeit scheinen sogar auch der Praxis standzuhalten. Eine Yougov-Umfrage von 2020 stellte fest, dass fast 60 Prozent der Selbstständigen weiter arbeiten würden, auch wenn es finanziell nicht notwendig wäre. Demgegenüber beantworteten nur 36 Prozent der Angestellten diese Frage positiv.

 

Das Kleinunternehmen als politisches Instrument

 

Überdies beschwören auch wirtschaftspolitische Akteure seit langem die positiven Auswirkungen der Selbstständigkeit. Spätestens seit dem Tech- und Dotcom-Boom wollen viele in selbstständiger Arbeit eine Antwort auf einen sich strukturell ohnehin wandelnden Arbeitsmarkt sehen. Das Zauberwort lautet hier „Entrepreneurship.

 

SozialministerienArbeitsagenturen und Jobcenter erhoffen sich eine Entlastung des regulären Arbeitsmarktes und stellen umfangreiche Programme zur Unterstützung von Unternehmensgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus zur Verfügung. Die Wirtschaftskammern arbeiten ebenfalls fleißig an der strukturellen Ausdifferenzierung ihrer Branchen. Nicht zuletzt bauen Interessensverbände und die Standortpolitik auf Innovationseffekte durch Neugründungen.

 

Genau hier soll die Kleinunternehmerregelung eine Brücke bauen. Die oben beschriebenen Erleichterungen für Kleinunternehmer und Kleingewerbe wurden vom Gesetzgeber eingeführt, um einen fließenden Übergang von angestellter Arbeit in Selbstständigkeit zu ermöglichenGründungswillige müssen damit nicht so viel Aufwand für Organisationsaufgaben betreiben, sondern können sich erst einmal voll und ganz darauf konzentrieren, den Markt kennenzulernen, auf dem sie sich positionieren wollen.

 

Gründungsgedanken und eine Menge offene Fragen

 

Denn für Kleinunternehmer tun sich im Gründungsprozess ohnehin eine Vielzahl von drängenden Fragen auf: Welche Leistungen können Sie genau anbieten? Welche Nachfrage besteht in diesem Bereich? Mit welchen konkurrierenden Angeboten haben Sie es zu tun? Reicht Ihr Wissen aus, um ein eigenes kleines Unternehmen zu führen beziehungsweise welche Fähigkeiten müssen Sie sich dafür noch aneignen?

 

Gibt es Stellen und Programme, die Sie dabei unterstützen können? Bedeutet es einen veränderten Status für Ihre Krankenversicherung? Brauchen Sie Zusatzversicherungen, welche Ihre neue Situation als Unternehmer und möglicherweise Arbeitgeber abdecken? Wo müssen oder sollten Sie sich noch registrieren oder anmelden? Gibt es organisierte Interessenvertretungen wie Verbände oder Kammern, die für Ihr Unternehmen relevant sind?

 

Einige dieser Fragen sollten Sie natürlich idealerweise klären, bevor Sie mit Ihrer Unternehmung starten. Für andere ist aber die Praxis ein besserer Lehrmeister. Die Erleichterungen für Kleinunternehmer sollen dabei ausreichend Raum und Flexibilität gewährleisten, damit Sie in der Startphase praktisch gewonnene Erkenntnisse bei Ihrer Planung berücksichtigen können.

 

Eine gesunde Risikoabwägung

 

Natürlich steigt mit der Selbstständigkeit auch das Risiko. Nicht erst die Corona-Krise hat gezeigt, dass kleine Unternehmen in wirtschaftlich schwereren Zeiten schnell unter die Räder geraten können. In der Regel existieren erheblich weniger Rücklagen, um das Kleinunternehmen am Laufen zu halten, wenn über einen gewissen Zeitraum die Aufträge wegbrechen. Auch mangelnde Krisenerfahrung und wenig gefestigte Geschäftsnetzwerke können einem Kleinunternehmer schnell zum Verhängnis werden.

 

Hinzu kommt unter Umständen eine größere Exponiertheit durch mangelnde öffentliche Fürsprache. Denn auch wenn sie in der Menge einen wichtigen Teil der Wirtschaft ausmachen, ist der politische Anreiz, ein einzelnes Kleinunternehmen zu schützen natürlich nicht so groß wie für ein Unternehmen mit größerer Standortbedeutung.

 

Doch auch schon kleinere Änderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen können Kleinselbstständige empfindlich treffen. Dies war zum Beispiel bei der 2018 in Kraft getretenen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beobachten. Ohne kostenaufwendigen juristischen Beistand – geschweige denn Rechtsabteilungen – sahen sich viele Kleinunternehmer bei der Umsetzung der neuen Regelungen überfordert oder empfanden mögliche Sanktionen der Verordnung als existenzbedrohend.

 

Selbstständigkeit ist nicht zuletzt auch eine Typ- und Prioritätenfrage. Nicht jeder kommt mit der eigenen Verantwortung für sich und gegebenenfalls Angestellte klar. Auch haben nicht alle die nötige zeitliche Flexibilität, um auf die Herausforderungen der Gründungsphase reagieren zu können. Gesundheitliche Fragen der Ausdauer können eine Rolle spielen. Und auch für Selbstmarketing und ständige Kundenansprache empfiehlt sich zumindest ein Mindestmaß an persönlicher Neigung.

 

Die Gründung des Kleinunternehmen – welche Schritte müssen Sie absolvieren?

 

Wenn Sie sich entschlossen haben, ein Kleinunternehmen in Angriff zu nehmen, müssen Sie dies zunächst beim Finanzamt anmelden. Dabei ist es ratsam, sich genau zu überlegen, mit welchen Leistungen sie Ihre Umsätze erzielen wollen, um spätere Überraschungen zu vermeiden. Viele Gründer erhoffen sich vom Finanzamt Unterstützung und werden enttäuscht. Denn dieses dient in der Regel nicht als Auskunftsstelle, sondern ermittelt die Plausibilität der gemachten Angaben nur im Nachhinein. Zahlreiche Unterstützungsprogramme und Anlaufstellen können aber bei kniffligen Fragen behilflich sein wie zum Beispiel ob das geplante Leistungsangebot in den Bereich freiberuflicher Arbeit fällt oder was bei der Rechtsform des Unternehmens zu beachten ist.

 

Bei der Gründung eines Kleingewerbes können sich Gründer direkt ans Gewerbeamt wenden. Dieses leitet die Gründung dann automatisch an das Finanzamt weiter. Für die Gewerbeanmeldung sind standardmäßig Ausweisdokumente, gegebenenfalls Nachweis über Aufenthaltstitel, sowie eine Meldebestätigung notwendig. Je nach Art des Gewerbes können zusätzliche Dokumente wie das polizeiliche Führungszeugnis, ein Gesundheitszeugnis oder eine Handwerkskarte erforderlich sein sowie ein Auszug aus dem Handelsregister. Das Gewerbeamt informiert auch die Industrie- und Handelskammer und Berufsgenossenschaft über das neue Unternehmen.

 

Das Finanzamt fordert in allen Fällen Angaben zur steuerlichen Erfassung an. Wenn Ihr Unternehmen steuerlich erfasst ist, steht Ihren ersten Schritten als selbstständiger Unternehmer nichts mehr im Wege.

No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.