Goldene Bilanzregel

Goldene Bilanzregel

Die goldene Bilanzregel gehört zu den sogenannten horizontalen Finanzierungsregeln und besagt im Grundsatz, dass das Anlagevermögen eines Unternehmens vom Eigenkapital oder von entsprechend langfristig gewährtem Fremdkapital gedeckt sein muss. Hingegen kann das Umlaufvermögen in auch kurzfristiger Weise fremdfinanziert werden.

Die Goldene Bilanzregel im engen Sinn

Zum Anlagevermögen zählen alle Vermögensbestandteile, die über lange Zeit im Unternehmen gebunden sind und zur Aufrechterhaltung des Betriebs und zum Erreichen des Betriebszwecks dienen. Hierunter fallen gegebenenfalls ebenso Datenbestände und virtuelle Einrichtungen.

Die Goldene Bilanzregel gibt es ersten oder zweiten GradesDie strenge Form der Regel verlangt, dass das Anlagevermögen allein durch das Eigenkapital gedeckt ist (Deckungsgrad I); die wenig strengere Form erlaubt zusätzlich langfristiges Fremdkapital (Deckungsgrad II). Für Letzteres befindet sich alternativ die Bezeichnung silberne Bilanzregel im Gebrauch.

 

Ist die goldene Bilanzregel eingehalten, steht das Unternehmen zumindest einmal unter bilanziellen Gesichtspunkten gut da. Mit angemessener Wahrscheinlichkeit darf man davon ausgehen, dass das finanzielle Gleichgewicht für die nähere Zukunft gewahrt bleibt.

 

Zur Frage der tatsächlichen Liquidität gibt die Einhaltung der Regel allerdings keinen sicheren Aufschluss. Die Fristbindung von Kapital wird durch die Aufstellung einer Bilanz mit ihrer Stichtagsbezogenheit nur schlecht erfasst und unzulänglich abgebildet. Das nicht vorhersagbare Zahlungsverhalten von Geschäftspartnern und Kunden spielt zudem eine unbekannte, nicht zu vernachlässigende Rolle.

 

Finanzierungsregeln im Überblick

 

Man unterscheidet vertikale und horizontale Finanzierungsregeln. Die Begrifflichkeit erklärt sich aus der Art und Weise, wie eine Bilanz dargestellt wird: links die Aktiva, rechts die Passiva. Horizontal ist eine Regel diesbezüglich dann, wenn sie beide Seiten der Auflistung miteinander in Beziehung setzt – im Fall der goldenen Bilanzregel also Anlagevermögen einerseits (zu den Aktiva gehörig) und Eigenkapital/Verbindlichkeiten andererseits (zu den Passiva gehörig).

 

Die horizontalen Finanzierungsregeln sollen der Liquiditätssicherung dienen. Für den Bestand und die Absicherung eines Unternehmens ist die Bestrebung wichtig, über genügend abrufbare Zahlungsmittel zu verfügen, um jederzeit Zahlungsverpflichtungen aus Schulden nachkommen zu können. Zur Liquidität rechnen auch Vermögensbestandteile, die bei Bedarf durch Veräußerung unmittelbar in Zahlungsmittel umwandelbar sind – etwa börsennotierte Wertpapiere -, sowie beispielsweise ungenutzte Kreditzusagen.

 

Allgemeine Kritik ruft dabei hervor, dass die Einhaltung der Regeln die Wahrung der Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens jedoch keineswegs garantieren und ein Verstoß ebenso wenig zwangsläufig zur Insolvenz führt. Liquidität wird eben nicht so sehr von der Vermögens- und Kapitalstruktur bestimmt, was eine Bilanz grundlegend ausmacht, sondern maßgeblich vom laufenden Zahlungsfluss (Cashflow). Die Regeln bieten eine Orientierungshilfe, wenngleich nicht viel mehr.

 

Das Prinzip der Fristenkongruenz

 

BilanzregelIm Zusammenhang mit den Finanzierungsregeln kommt häufig das Prinzip der Fristenkongruenz zur Sprache. Fristenkongruenz bedeutet, dass aufgenommenes Kapital und das damit finanzierte Vermögen in ihrer zeitlichen Bindung übereinstimmen. Kredite werden somit nicht fällig, bevor sich die entsprechenden Aufwendungen nicht amortisiert haben. Man hat demgemäß bei Eintritt der Zahlungsverpflichtung mindestens deren Gegenwert erwirtschaftet und gerät deshalb nicht in Verzug – höchstens aus anderen Gründen. Diese Betrachtung ist rein statisch.

 

Die goldene Bilanzregel stellt eine Ausprägung des Kongruenzprinzips dar, indem verlangt wird, dass langfristige Investitionen nur durch langfristig zur Verfügung stehende Kapitalmittel erfolgen, während kurzfristiges Fremdkapital lediglich kurzfristig angelegt werden darf. Eine Unternehmensfinanzierung über laufende Einnahmen und revolvierende Kredite verstößt ersichtlich gegen die Regel, kann aber sehr wohl gelingen und sogar vorteilhaft sein.

 

Das Bestehen auf der Einhaltung zwängt die unternehmerische Planung häufig in ein enges Korsett. Dadurch herrschen weitläufig Zweifel darüber, ob ein Unternehmen sich dergestalt seiner individuellen optimalen Finanzausgestaltung überhaupt anzunähern vermag. Es fehlt an der notwendigen Flexibilität.

 

Kennzahlen aus der Bilanz für die Berechnung der Bilanzregel

 

Der Deckungsgrad I für die goldene Bilanzregel errechnet sich aus dem Quotienten von Eigenkapital zu Anlagevermögen. Ergibt sich eine Kennzahl größer oder gleich 1, ist die Regel erfüllt. Das Unternehmen finanziert sein gesamtes Anlagevermögen über eigene Kapitalmittel und ist in diesem Belang von Geldinstituten und anderen Fremdkapitalgebern unabhängig.

 

Der Deckungsgrad II für die goldene Bilanzregel errechnet sich aus dem Quotienten von Eigenkapital plus langfristigem Fremdkapital zu Anlagevermögen. Ergibt sich eine Kennzahl größer oder gleich 1, ist die Regel erfüllt. Zwar reicht das Eigenkapital des Unternehmens hier nicht aus, um das Anlagevermögen im vollen Umfang zu finanzieren, jedoch steht langfristig genügend Fremdkapital zur Verfügung. Das bedeutet gleichwohl Abhängigkeit von externen Geldgebern.

 

In der Realität decken deutsche Unternehmen nur in seltenen Fällen ihr Anlagevermögen ausschließlich mit Eigenkapital. Vor allem im produzierenden Bereich wird die goldene Bilanzregel in ihrer strengen Form weitgehend verfehlt. Traditionell liegt die durchschnittliche Eigenkapitalquote in Deutschland auf eher niedrigerem Niveau und ist stark branchenabhängig. Praxisbezogen besitzt die goldene Bilanzregel insoweit eine nur entfernte Bedeutung.

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