Was ist Deflation?

Rezession

Was ist Deflation?

Deflation bezeichnet ein dauerhaftes, deutliches Absinken des allgemeinen Preisniveaus in einer Volkswirtschaft, also mehr als vereinzelte Preisrückgänge in einzelnen Branchen. Deflation kann mit einer Rezession, also einer schwerwiegenden wirtschaftlichen Eintrübung, einhergehen oder eine solche auslösen. Doch ist dies nicht zwingend der Fall, wie Sie am Beispiel Japans in den 1990er Jahren sehen. Das Land war mit einer Deflation konfrontiert, ohne dass es zu einem krisenhaften wirtschaftlichen Einbruch gekommen ist.

 

Es gibt Konstellationen, wo selbst ein breiter Rückgang des Preisniveaus keine negativen Folgen auf das Wohlstandsniveau in einer Volkswirtschaft hat. Jedoch ist dies nur bei gleichbleibenden Nominallöhnen der Fall, was wiederum voraussetzt, dass der Preisrückgang seinen Grund in Effizienzsteigerungen hat. Dann erhöht sich automatisch die Kaufkraft der Bevölkerung, und die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen bleibt konstant oder steigt sogar.

 

Problematisch ist es, wenn ein sinkendes Preisniveau mit einem anhaltenden Nachfragerückgang einhergeht, bis die gesamtwirtschaftliche Nachfrage hinter dem Angebot zurückbleibt. Dann haben die Preissenkungen ihre Ursache nicht mehr in gestiegener Effizienz, es entsteht vielmehr eine Preisspirale nach unten. Die Deflation kann, wenn sie nicht wirksam bekämpft wird, in eine Wirtschaftskrise mit verheerenden Folgen führen.

 

Ursachen und Entstehung der Deflation

 

Das Auftreten von Nachfragelücken

 

DeflationDeflation kann ihren Ausgangspunkt in unterschiedlichen Ursachen haben. Jedenfalls ist immer entscheidend, dass die Entwicklung einen Punkt erreicht, wo es zu einer gesamtwirtschaftlichen Nachfragelücke kommt. Diese setzt die gefährliche deflationäre Dynamik nach unten in Gang.

 

Zunächst können in einer Volkswirtschaft unerwartete Schocks eintreten, die zu plötzlichen, massenhaft auftretenden Unternehmensinsolvenzen führen. Diese Firmenzusammenbrüche können wiederum ein starkes Ansteigen der Arbeitslosigkeit zur Folge haben. Dann sinkt die Massenkaufkraft und die Nachfrage trübt sich ein.

 

Ähnliches kann geschehen, wenn der Staat seine Ausgaben reduziert, etwa um ein Budgetdefizit abzubauen. Dies kann sich deutlich und rasch auswirken, weil in vielen, auch marktwirtschaftlich verfassten Volkswirtschaften, der Staat ein wesentlicher Akteur ist. Aus diesem Grund kann das Sinken der öffentlichen Nachfrage, das auf den Märkten meist rasch spürbar ist, nachteilige Kettenreaktionen auslösen.

 

Platzende Spekulationsblasen

 

In vielen Fällen ist das Platzen von Spekulationsblasen Auslöser deflationärer Entwicklungen. Dazu kommt es, wenn stark überbewertete Sachgüter oder Finanzanlagen plötzlichen Wertkorrekturen ausgesetzt sind. Dann tritt eine sogenannte Vermögensdeflation ein, die besonders dramatisch ist, wenn die betroffenen Vermögensgegenstände (zum Beispiel Immobilien) der Kreditbesicherung dienen. Besonders gefährlich ist es, wenn die Vermögensgegenstände der existenziellen Bedürfnisbefriedigung (Immobilien zu Wohnzwecken) oder Absicherung (Wertpapiere für die Altersvorsorge) dienen.

 

Der Wertverfall bei den Vermögenspositionen führt dann zur Überschuldung der Kreditnehmer, die ihre Finanzierungen nicht mehr bedienen können. Dementsprechend nehmen die Banken Fälligstellungen vor, es kommt zu Kreditausfällen, die wiederum die Finanzinstitute in Schwierigkeiten bringen. Als Reaktion darauf reduzieren sie die Kreditneuvergabe, wodurch der Wirtschaft weniger Liquidität zur Verfügung steht. Dadurch sinken Konsum und Investitionstätigkeit, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage geht zurück.

 

Marktliberalisierung, Deregulierung und außenwirtschaftliche Verflechtungen

 

DeflationEine Marktliberalisierung, die mit einer Vergrößerung des Angebots und Intensivierung des Wettbewerbs verbunden ist, kann auf breiter Front preissenkend wirken. Zum Beispiel können derartige Phänomene durch staatliche Deregulierungsmaßnahmen in vorher streng reglementierten Wirtschaftssystemen auftreten. Auch verstärkter Freihandel kann solche Effekte haben.

 

Des Weiteren können sehr stark exportorientierte Volkswirtschaften in eine Deflation geraten, wenn die ausländische Nachfrage zurückgeht. Beispielsweise, weil dort wirtschaftliche Schwierigkeiten eintreten oder sich ausländische Staaten protektionistisch durch Einführung neuer Zölle und Handelsbarrieren abschotten. Je höher der Exportanteil der betroffenen Volkswirtschaft ist, desto größer und nachhaltiger ist das Problem.

 

Währungsaufwertung und monetäre Ursachen

 

Auch die Aufwertung der eigenen Währung kann sich auf die Wirtschaft des Exportlandes negativ auswirken. Denn dadurch werden die Exporte im Ausland teurer, was die Nachfrage dort sinken lässt. Gleichzeitig führt die Währungsaufwertung dazu, dass importierte Waren im Inland billiger werden, was die inländische Produktion zusätzlich unter Druck setzt.

 

Schließlich werden immer wieder auch monetäre Ursachen als Auslöser für deflationäre Entwicklungen genannt. Dabei ist die Annahme, dass restriktive Geldpolitik, die etwa durch Zinssatzerhöhungen die Geldmenge verringert, automatisch einen Rückgang des Preisniveaus auslöst. Dies deshalb, weil weniger Geld im Wirtschaftskreislauf zirkuliert.

 

Auswirkungen der Deflation auf die wirtschaftliche Dynamik

 

DeflationWie schon ausgeführt, liegt der Grund einer deflationären Entwicklung in einem Zurückbleiben der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage hinter dem gesamtwirtschaftlichen Angebot. Dadurch sinkt das Preisniveau kontinuierlich und damit gehen auch die Unternehmensgewinne zurück. Wenn keine Effizienzsteigerungen möglich sind, bleibt den Unternehmen nichts anderes übrig, als in einem ersten Schritt die Produktion zu reduzieren.

 

Kommt es zu einem Produktionsrückgang, etwa durch Stilllegung von Maschinen, sinken die Unternehmensgewinne und die Bereitschaft, Investitionen vorzunehmen, geht zurück. Ist der Nachfragerückgang von Dauer, haben die Unternehmen keine andere Wahl, als mit Maßnahmen auf der Kostenseite zu reagieren. Da Personalkosten oft zu den größten Aufwandspositionen gehören, kommt es relativ rasch im Bereich der Mitarbeiterstände zu den ersten Maßnahmen.

 

Es wird vielleicht zunächst noch Kurzarbeit eingeführt, dann aber kommt es zu Mitarbeiterkündigungen. Selbst wenn die Gekündigten durch Sozialleistungen zumindest eine Zeit lang abgesichert sind, kommt es zu Einkommens- und damit Kaufkraftverlusten. Infolge der verschlechterten individuellen Situation sinkt die Konsumneigung, und die Sparquote steigt, schon allein aus Angst vor der unsicheren Entwicklung. Aufgrund der sich eintrübenden Gesamtnachfrage sinken die Preise weiter, was die Unternehmen zu weiteren, noch härteren Einschnitten zwingt.

 

Bedrohung für gesamte Systeme

 

Nicht nur, dass Unternehmen und Arbeitnehmer in Bedrängnis geraten, es sinken mittelfristig auch die Steuereinnahmen des Staates. Darüber hinaus wird die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme durch ausbleibende Beitragszahlungen eine immer größere Herausforderung. Somit können ganze Gesellschaftssysteme ins Wanken geraten und ein wirtschaftlicher Absturz kann folgen, wenn nicht wirtschaftspolitische Maßnahmen der Entwicklung entgegenwirken. Ist eine Volkswirtschaft in eine durch Deflation verursachte Wirtschaftskrise geraten, ist es jedenfalls schwer, nachhaltig wieder aus dieser Situation herauszufinden.

 

An Schärfe und Geschwindigkeit gewinnt die Entwicklung, wenn Psychologie und Erwartungen ins Spiel kommen und sich ins Negative drehen. Ebenso, wenn Konsumenten darauf spekulieren, dass die Preise noch weiter fallen und ihre Konsumausgaben daher zeitlich nach hinten verschieben. Derartige Verhaltensweisen beschleunigen – von den Akteuren ungewollt – die negative Entwicklung. Gehen auch die Unternehmen von schlechten Aussichten aus, werden sie Produktion und Investitionen noch stärker zurückfahren.

 

Diese Entwicklungen können einander verstärken und beschleunigen und so mit rasantem Tempo in eine schwere Rezession mit Massenarbeitslosigkeit führen. Allerdings ist das Problem dabei, dass bei individueller bzw. rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung die jeweiligen Verhaltensmuster verständlich sind und richtig erscheinen. Volkswirtschaftlich können sie allerdings verheerende Auswirkungen haben und damit letztlich wieder dem einzelnen Wirtschaftsteilnehmer schaden.

 

Das Problem der Verschuldung, Kreditvergabe und Geldmenge

 

Während in der Deflation Preise, Gewinne und Löhne sinken, bleiben Verbindlichkeiten wie Kreditschulden nominell konstant. Bei einer Finanzierung von 1 Mio. Euro hat man diesen Betrag zurückzuzahlen, egal, wie schwer die Deflation auch sein mag. Allerdings wird es immer schwieriger, diese Verbindlichkeiten abzubauen, weil Löhne und Gewinne im deflationären Umfeld sinken.

 

Dies betrifft Konsumenten ebenso wie Unternehmen und auch den Staat. Schuldner aller Art geraten somit in Bedrängnis und es schlägt zumindest auf den ersten Blick die Stunde der Gläubiger. Doch ist dies nur kurzfristig der Fall, denn auch die Gläubiger sind nicht von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass in einer Volkswirtschaft annähernd Preisstabilität herrscht, weil sonst das gesamte System anfällig wird.

 

Die vermehrten Kreditausfälle führen dazu, dass es für Kreditinstitute und sonstige Geldgeber besser erscheint, keine Finanzierungen mehr zu gewähren. Dies deshalb, weil die damit verbundenen Gewinnmöglichkeiten in keinem Verhältnis zu den Kosten der Kreditausfälle stehen. Also fahren die Kreditinstitute die Geldschöpfung zurück, wodurch die Geldmenge sinkt, und wirtschaftliche Aktivitäten erschwert werden.

 

Maßnahmen gegen die Deflation

 

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Ansicht verbreitet, dass eine Deflation automatisch ihr Ende finden wird. Dies sollte der Fall sein, wenn das Preisniveau so niedrig ist, dass sich quasi zwangsläufig wieder Nachfrage einstellt. Dass man darauf jedoch nicht vertrauen kann, hat die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren eindrucksvoll gezeigt. Schließlich hat man damals zur Bekämpfung der Deflation die Geldpolitik geändert, und durch ein Abgehen vom Goldstandard die Geldmenge erhöht.

 

Zentralbanken können geldpolitische Maßnahmen setzen, indem sie zunächst die Zinsen senken. Allerdings gibt es Konstellationen, in denen diese Maßnahme nicht wirksam ist, selbst wenn die Zinsen auf null reduziert werden. Dann bleibt den Zentralbanken nur noch die sogenannte quantitative Lockerung. Dabei kaufen die Zentralbanken Finanzinstrumente wie zum Beispiel Kreditforderungen von Banken, und führen dem Wirtschaftssystem dadurch Liquidität zu.

 

Zudem kann in einer Deflation nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik helfen, die staatliche Investitionsprogramme vorsieht und diese mit einer breiten steuerlichen Entlastung verbindet. Dies kann wirtschaftspolitische Impulse setzen, besonders, wenn die Staatsausgaben in Infrastrukturprojekte fließen, die entsprechende Folgeinvestitionen im privaten Sektor auslösen. Dieses Vorgehen ist oft damit verbunden ist, dass der Staat zur Finanzierung seiner Ausgaben Schulden aufnimmt. Die theoretische Grundlage für dieses Art der Gegensteuerung stammt von John Maynard Keynes (Konzept des deficit spending).

 

Historische Beispiele, anhand derer die Mechanismen einer Deflation sichtbar werden

 

Die große Depression der 1930er Jahre

 

Die wohl bekannteste und einschneidendste Deflation war jene während der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre (Great Depression). Diese katastrophale Deflation konnte entstehen, weil es nach dem Ersten Weltkrieg zu einer massiven Überproduktion kam. Infolge eines Börsenkrachs in den USA (Schwarzer Freitag) trat eine massive Absenkung der Geldmenge ein.

 

Die USA haben ihre an Deutschland gewährten Kredite fällig gestellt, was die dort umlaufende Geldmenge massiv reduziert hat. Dann hat die Geldmengenverknappung eine Spirale aus sinkender Nachfrage und einbrechenden Unternehmensgewinnen in Gang gesetzt. Ein rasanter, noch nie da gewesener Anstieg der Arbeitslosigkeit auf bis zu 20% der erwerbsfähigen Bevölkerung war die traurige Folge. Unternehmen und Staat haben die Krise durch rigorose Sparmaßnahmen sowie drastische Lohnkürzungen noch massiv befeuert, Gegenmaßnahmen gab es keine.

 

Japan in den 1990er Jahren

 

Zu Beginn der 1990er Jahre kam es in Japan zu fallenden Preisen und einer wirtschaftlichen Eintrübung. Auslöser war, dass zunächst die Aktienmärkte einen dramatischen Anstieg erlebten, ebenso die Preise von Sachgütern wie Immobilien. Dann bildeten sich Preisblasen, die sukzessive geplatzt sind.

 

Die Aktienmärkte haben stark korrigiert, die vorher noch sehr starke Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen hat ein jähes Ende gefunden. Die Korrekturen bei den Vermögenspreisen haben bei den Konsumenten zu einem erhöhten Sparverhalten und einer ausgesprochen starken Konsumzurückhaltung geführt. Dadurch waren die Produktionskapazitäten der Unternehmen bald nicht mehr ausgelastet und die Deflationsspirale hat sich in Gang gesetzt.

 

Im Unterschied zu den 1930er Jahren hat im japanischen Fall der Staat massiv gegengesteuert und eine ausgesprochen expansive Geldpolitik verfolgt. Aus diesem Grund ist es gelungen, ein Abgleiten in die Rezession zu verhindern. Allerdings haben weder die Zinssatzsenkungen durch die Zentralbank, noch Maßnahmen der quantitativen Lockerung zu einem deutlichen Anspringen des Konsums geführt. Heute ist Japan das am höchsten verschuldete Industrieland der Welt, ohne dass dem eine entsprechend starke wirtschaftliche Dynamik gegenübersteht.

No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.